Graz in Licht und Klang
Klanglicht trägt seit 2015 im Auftrag der Bühnen Graz, die Magie zweier zentraler Elemente des Theaters hinaus in den öffentlichen Raum: Licht und Klang. Auf unterschiedliche Weisen verarbeiten renommierte Kunstschaffende in diesem Jahr ihre Traumwelten, in denen Realitäten entfaltet und bestehende Träumereien eröffnet werden. Poetisch, sanft und subtil, kraftvoll und raumgreifend, unwirklich schön und zugleich wahrhaft echt. Vielfältig und vielschichtig sind dabei die Fragen, die die Kunstschaffenden aufwerfen.
Wohin uns ein Tagtraum trägt und wohin sie uns nachts führen? Welche Wahrheiten in Träumen stecken, die man sich hellwach aber niemals anzusprechen traut?
Ihre Deutung obliegt letztendlich uns selbst – denn gerade im Traum darf und soll auch das Geheimnis bleiben. So geht in diesem Jahr das Träumen mehr denn je über die Vergänglichkeit von Licht und Klang hinaus: KLANGLICHT 2024 ist eine Einladung an das Publikum, weiter zu träumen, sich im Dialog mit der Kunst von der eigenen Fantasie forttragen zu lassen. Wenn auch nur für den einen Moment. In diesem Sinne: Licht aus. Klanglicht an!
Wir haben Klanglicht Initiator und Geschäftsführer der Bühnen Graz Bernhard Rinner und Klanglicht Kuratorin & Organisatorin Birgit Lill-Schnabl ins Träume-Land gebeten.
Tagträumer:in oder Nachtträumer:in?
Bernhard: Ich zähle weniger zu den Tagträumern, da ich die Füße doch fest am Boden habe. Aber, die Fantasie schwingen zu lassen – dazu braucht es Räume und Zeiten. Dazu müssen Gedanken entfliehen dürfen und das ist eine Art von Träumen, die dazu führt, wieder kreativ zu sein und neue Ideen zu entwickeln. Tagträumen bedeutet also, dass es Räume und Zeiten geben darf, wo man Ideen spinnen kann. Und die muss man sich nehmen. Ob bei Tag oder Nacht, Klanglicht ist auf jeden Fall ein Anstoß zum Träumen.
Birgit: Eindeutig Tagträumerin. Das ist auch das, was meine Eltern in den Sprechstunden in der Schule ständig zum Vorwurf zu hören bekommen haben. Ein Tagtraum ist eine wichtige Möglichkeit seine Batterien wieder aufzuladen, Inspiration zu suchen, sich kurz einmal wegzubeamen. All das kommt heutzutage eigentlich viel zu kurz. Zugegeben, damals hat es auch weniger Ablenkungen dazu gegeben. Der Weg von der Tagträumerin zur Traumtänzerin war dann nur noch ein abstrakter Fluchtpunkt.
Träumt Ihr manchmal vom KLANGLICHT?
Bernhard: Definitiv. (lacht). Es gab auch schon Alpträume. Zumindest Angstvorstellungen, wenn so viele Menschen teilnehmen und die Verantwortung, die einen verarbeiten lässt, dass es doch Hundertausende sind, die durch die Stadt gehen. Und das ist dann schon so, dass das nicht auf die leichte Schulter genommen werden kann. Und gleichzeitig sind es danach, wenn alles gut gegangen ist, schöne Träume des Verarbeitens, in der Hoffnung, dass die Menschen ein Stück Magie mitgenommen haben. Das ist etwas unglaublich Schönes mit so einem Projekt Menschen zu erreichen, die nicht materiell, sondern im Kopf etwas für sich mitnehmen können.
Birgit: Die Challenge ein ganzes Jahr auf ein einziges Wochenende hinzuarbeiten wird von Jahr zu Jahr größer – gemessen an der eigenen Erwartung, die sich eigentlich immer gut erfüllt. Aber der Anspruch sich immer wieder selbst zu überbieten bleibt. Die Herausforderung ist, Projekte zu finden, die keinen Vergleich zulassen. Dinge zu finden, die wieder Neues zeigen. Weil das Publikum natürlich vergleicht und diese Vergleichbarkeit zerstört viele Eindrücke.
Bernhard: Doch das Schöne ist: Klanglicht 24 ist nicht vergleichbar und soll auch nicht vergleichbar sein. Es soll eine Perspektive auf die Stadt verändern und damit auf sich selbst. Und wenn wir uns ehrlich sind, ist es in Wahrheit der Anspruch an sich selbst, dem man die Stirn bieten möchte. Der ist ja gnadenlos. Nicht dem, des Publikums. Und die endgültige Zufriedenheit, die gibt es ja sowieso nicht.
Birgit: Und mittlerweile macht mir nicht einmal mehr das Wetter Sorgen. Der Wechsel von Klanglicht in den Herbst bringt viele Vorteile. Das Wetter im Oktober ist super stabil und wir können aufgrund der Dunkelheit bereits um 18 Uhr beginnen. Und wenn es einmal regnet, kommen die Leute trotzdem. Es gibt ja kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung.
Bernhard: Es hat einmal wirklich geschüttet und trotzdem waren 10.000 Leute in der Stadt. Gesamt waren es tatsächlich 100.500 Besuchende. Es erfreut mich und ist schon sehr zufriedenstellend, das Kunst durch Licht und Klang, die Massen so bewegen kann.
Birgit: Und von 18 Standorten, sind 13 kostenlos zugänglich. Wunderschöne Locations, die auch ohne Installation schon Meisterwerke für sich sind. Wir haben ein wunderbares Setting in der Grazer Innenstadt, weil wir hier Räume bespielen, die einfach per se schon episch sind.
Bernhard: Vielleicht leiden wir an einem provinziellen Syndrom, das wir das, was wir haben, nicht mehr wirklich schätzen können. Dagegen anzukämpfen fällt schwer. Wie viele externe Künstler sagen, wie atemberaubend schön unsere Stadt ist. Selbst sieht man das oft nicht mehr – und vielleicht ist Klanglicht auch ein Teil des „Sichtbar Machens“ dieser Besonderheit durch andere Mittel: mit Licht und Klang die Stadt in eine neue Perspektive zu bringen.
Traum und Wirklichkeit. Spielen sie eine zentrale Rolle im
Kulturleben in Graz.
Bernhard: So viel kann man sagen: Eine Selfreflexion würde so machen guttun. (lächelt)
Birgit: Ich finde es wichtig Träume in Form von Visionen zu haben und andere und so viele wie möglich daran Teil haben zu lassen.
Es gibt die Rückkehr von Klanglicht in die Innenstadt, weil …
Birgit: … es logistisch und kostentechnisch die einfachste Variante ist, da wir hier keine Straßen und Parkplätze sperren müssen – das ist ein riesengroßer Kostenfaktor und weil die Innenstadt einfach wunderschön ist.
Bernhard: … und, weil es mehr Spaß macht (lacht). Das bedeutet aber nicht, dass wir uns zukünftig nicht nach anderen Locations abseits der Innenstadt umsehen. Es sind vorerst pragmatische Gründe und andererseits ist es auch so, dass sich durch unsere Spielstätten selbst einiges bietet, die ja in der Innenstadt sind und die wir als Licht- und Kunstfestival der Bühnen Graz bespielen wollen. Und das ist schon auch ein Grund.
Birgit: Das heißt: Oper, Next Liberty, Schauspielhaus und die Kasematten sind als Häuser der Bühnen Graz auch Teil von Klanglicht.
Gehen Euch die Locations für Klanglicht 2025 aus …
Bernhard: Da bin ich anderer Meinung. Mir gehen manchmal die Boulevards ab. Und das ist wiederum die Herausforderung, dass wir doch in einer mittelalterlich strukturierten Stadt unterwegs sind, die kleinräumig ist und da beneide ich manchmal andere Städte darum, dass sie großzügigere Projektionsflächen mit großer Sichtachse hätten. Gleichzeitig ist es aber schön, in der Kleinteiligkeit, diese Perspektive von Licht und Klang in die Stadt hineinzubringen.
Birgit: Eher das Budget, das gleichbleibt und die Kosten für Locations für die Bespielung enorm gestiegen sind.
Wie entstand das kuratorische Programm für Klanglicht?
Birgit: Künstler werden anhand des Themas eingeladen ein Programm für Klanglicht zu erarbeiten. Das gibt es nur in Graz und unterstreicht die Bedeutung von Klanglicht. Ich habe schon seit Jahren versucht, eine Arbeit von Peter Fischli und David Weiss für Klanglicht gewinnen zu können, die bei der 50. Biennale von Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. Das ist mir heuer endlich gelungen. Die „Fragenprojektionen“ versetzen einen kurz vor dem Einschlafen in einen Zustand, in dem uns viele Fragen durch den Kopf gehen. Banale wie brennende und existenzielle Fragen, auf die es keine Antwort gibt: Findet mich das Glück? Mag mich mein Hund? War ich noch nie ganz wach? Die Arbeit wird bei Klanglicht 2024 im Next Liberty gezeigt – und die war ausschlaggebend für das Thema des heurigen Festivals.
„Klanglicht ist das Festival des kunstvollen Perspektivenwechsels auf Graz“. Welchen wünscht Ihr euch für die Zukunft?
Bernhard: Das sich mit Klanglicht ein Selbstbewusstsein über die Stadt entwickelt. Und das funktioniert auch durch die Rückspiegelung der Besonderheit dieses Festivals in Graz – durch ein nationales und internationales Echo und Berichterstattungen in den Medien.
@ Verena Koch
@ Jennifer Braun